Hamburgs erster Schülerkongress zum Klimawandel
20.07.2016Mindestens 50 Sklaven pro Kongressteilnehmer – so viel Manpower wäre nötig gewesen, um ein komfortables Leben mit den Annehmlichkeiten von 2016 im alten Rom zu führen. Aber wo sollten über 30.000 Sklaven unterkommen, wenn jeder Platz im größten Hörsaal der Technischen Universität Hamburg, TUHH besetzt ist? „Energie hilft uns, Dinge einfacher zu erfahren, als das in der Vergangenheit möglich war“, erläutert Hermann Held den Vergleich zum Römischen Reich und zeigt eine Abbildung zum Weltenergieverbrauch – eine Kurve exponentiellen Wachstums. Der Leiter der Forschungsstelle für Nachhaltige Umweltentwicklung (FNU) der Universität Hamburg ist eigens nach Harburg gekommen, um als Professor, Autor des Weltklimaberichtes und Bürger zu über 600 Schülern zu sprechen.
Nachwuchs zeigt Initiative
„Ich war positiv überrascht, dass es einen Schülerklimakongress geben sollte, und habe mich sehr gefreut, den Eröffnungsvortrag halten zu dürfen.“ Als Hermann Held selbst noch Schüler war, habe er genau solche Angebote vermisst, jetzt ist er Klimaforscher und vermisst die öffentliche Diskussion. „Ich habe das Gefühl, dass die wichtigen Erkenntnisse noch nicht so in der Öffentlichkeit angekommen sind“, sagt er. Umso mehr freut es den Physiker, dass der Nachwuchs nun die Initiative ergriffen hat: „Ich habe ganz viele Schüler und Schülerinnen gesehen, die Verantwortung übernommen haben.“ Etwa Paul, Lena und Ferdinand vom NAT-Schülerbeirat, die den Kongress mit einer Mischung aus Information und Humor eröffnen: „Ich denke bei den Stichworten Klima, Energie und Nachhaltigkeit erst mal an Gemüse“, sagt Ferdinand und fordert die Mitschüler auf, das Thema weniger emotional und mehr rational zu behandeln. „Wissenschaft für alle, die mitreden wollen“, verspricht er.
Gutes Klima für Hamburgs Forschung
Für dieses hohe Ziel hat der NAT-Schülerbeirat bestehend aus 14 Oberstufenschülern gut zwanzig Wissenschaftler an die TUHH eingeladen. Für einige von ihnen ist das tatsächlich eine Reise: So ist der Physiker Stephan Saupe eigens aus Bonn aus dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gekommen, wo er die Energieforschung leitet, um mit den Schülern Herausforderungen wie Stromnetzausbau und Energiespeicherung in Vortrag, Workshop und Abschlusspodium zu diskutieren. Oder der Geograph Janpeter Schilling, der Forschungsergebnisse aus Kenia mitgebracht hat – zugegeben nicht eigens für den Kongress, aber doch schülergerecht und humorvoll aufbereitet. „Der Klimawandel ist niemals der alleinige Faktor für Konflikte, aber er kann diese verstärken“, macht Schilling deutlich und eröffnet dann die Fragerunde: „Wie relevant sind die Daten aus der Konfliktforschung, wenn mindestens 30 Jahre betrachtet werden müssen, um vom Klimawandel zu sprechen“, will ein Schüler wissen.
Wie werde ich Klimaforscher
„Sehr guter Punkt“ – lobt Schilling und ein Grundproblem seiner Forschung: „Man kann den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Konfliktdaten nur für vier Jahre betrachten und muss dann Rückschlüsse ziehen.“ Mit Wissenschaftlern ins Gespräch kommen, es genau wissen wollen und sich eine eigene Meinung bilden, dann sind gute Grundlagen, die in die Klimaforschung führen können, unterstreicht auch Herman Held. Am Abschluss stellt er sich zusammen mit seiner Kollegin Heinke Schlünzen, Saupe sowie Ralf Kleiber vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik der Podiumsdiskussion „Hamburg, was tun?“ und appelliert an alle Bürger, sich mehr einzumischen: „Der größte Hebel ist Druck auf Politiker“, so Held. Wenn jetzt die Energiewirtschaft umgestellt wird, müssten die Wissenschaftler verständliche Informationen bereitstellen und der Nachwuchs die Zukunft mehr in die Hand nehmen, als es bisher der Fall war. Viel zu tun für die Schüler bis zum nächsten Kongress 2017!